Seit nunmehr drei Jahren verzeichnet die Kriminalstatistik des Bundes rückläufige Deliktszahlen im Bereich des Wohnungseinbruchs.
Ein auf den ersten Blick erfreulicher Trend. So scheint das grundsätzliche Risiko, Opfer eines traumatisierenden Einbruchs zu werden, geringer zu sein. Allerdings mehren sich inzwischen die Stimmen, dass die Zahlen der Kriminalstatistik ein leicht verzerrtes Bild der Realität zeichnen. Ein Schlagwort, das in diesem Zusammenhang immer wieder fällt ist der Begriff des „Dunkelfeld“. Damit gemeint ist die Zahl der nicht erfassten Straftaten, die aufgrund einer ausgebliebenen Anzeige schlichtweg nicht in die offiziellen Statistiken einfließen. So schreibt auch der Kriminologe Prof. Dr. Thomas Feltes in einem bei Spiegel Online publizierten Beitrag: „Das Auf und Ab bei den Wohnungseinbrüchen ist letztlich wohl nur über das Dunkelfeld zu erklären.“
Es gibt nicht viele Quellen, die das Thema „Dunkelfeld“ systematisch beleuchten. Aktuelle Erkenntnisse lassen sich aus der Studie „Der Deutsche Viktimisierungssurvey 2017“1 ableiten. Der Deutsche Viktimisierungssurvey (DVS) 2017 ist ein vom Bundeskriminalamt im Zuge der Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland“ durchgeführtes und durch den Fonds für die Innere Sicherheit der Europäischen Union gefördertes Forschungsprojekt. Der erste DVS wurde fünf Jahre zuvor als Teil des Projekts „Barometer Sicherheit in Deutschland“ in Kooperation mit der kriminologischen Abteilung des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht (MPI) realisiert. Auch beim DVS 2017 ist das MPI als Projektpartner an der Auswertung der Erhebungsdaten beteiligt. Hieraus geht beispielsweise die Anzeigequote bestimmter Delikte hervor.
Grundsätzlich liegt diese bei den sogenannten Haushaltsdelikten im Vergleich zu Personendelikten relativ hoch. So werden beispielsweise 100 Prozent aller Kraftfahrzeugdiebstähle zur Anzeige gebracht. Allerdings liegt die Quote bei vollendetem Wohnungseinbruchdiebstahl mit 72,5 Prozent unter dem Wert, der eigentlich zu erwarten wäre. Im Vergleich zur ersten Studie ist die Quote zudem deutlich rückläufig – so wurden 2012 noch 85,1 Prozent der Einbrüche zur Anzeige gebracht. Deutlich geringer fällt die Anzeigenquote in den Fällen aus, bei denen es bei dem Versuch blieb. In diesem Fall brachten nur 57,8 Prozent der Opfer die Tat zur Anzeige. Diese Erkenntnis widerspricht dem oft gebrachten Argument, dass das Delikt Wohnungseinbruch fast immer angezeigt wird, vor allem, um sich den Schaden von der Versicherung erstatten zu lassen. Das dies nicht zwangsläufig der Fall ist, zeigen die Zahlen. Zudem würde es im Umkehrschluss bedeuten, dass jeder Haushalt in Deutschland gegen dieses Delikt versichert ist, im konkreten Fall also über eine Hausratversicherung verfügt, die in der Regel für Gestohlenes in Folge eines Einbruchs aufkommt.
1„Der Deutsche Viktimisierungssurvey 2017. Opfererfahrungen, kriminalitätsbezogene Einstellungen sowie die Wahrnehmung von Unsicherheit und Kriminalität in Deutschland.“ Christoph Birkel, Daniel Church, Dina Hummelsheim-Doss, Nathalie Leitgöb-Guzy & Dietrich Oberwittler
Ein häufig zitiertes Argument in Sachen Einbruchschutz lautet „Ich bin ja versichert“. Dieses Argument ist in zwei Dimensionen irreführend. Denn erstens wiegt der Einbruch als solcher, also der Einbruch in die Privatsphäre, für die Betroffenen oft deutlich schwerer als die Entwendung von Wertsachen. Laut der Studie „Viktimisierungserfahrungen in der Bevölkerung – Wohnungseinbruchsdiebstahl und Körperverletzungen im Vergleich“, von Dirk Baier, Susann Rabold, Tillmann Bartsch und Christian Pfeiffer, wechseln 17,6 Prozent der Opfer nach einem Wohnungseinbruch die Wohnung, 23,9 Prozent leiden auch lange nach der Tat noch unter Angstgefühlen. Dass Gefühl, dass fremde Menschen in die Privatsphäre eingedrungen sind und intimste Dinge durchwühlt haben, hinterlässt bei vielen Opfern und deren Angehörigen eine völlig andere Dimension an „Einbruchspuren“ und verursachten einen Schaden, der sich durch keine noch so gute Police absichern lässt.
Zweitens ist es so, dass die Aussage „Ich bin ja versichert“ nicht auf alle Haushalte in Deutschland zutrifft. Während eine Gebäudeversicherung zumindest bei finanzierten Objekten obligatorisch bzw. verpflichtend ist, handelt es sich bei der Hausratversicherung um eine freiwillige Versicherung.
Aus der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 des Statistischen Bundesamts geht demnach hervor, dass 76 Prozent der deutschen Haushalte über eine Hausratversicherung verfügen.
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass rund ein Viertel der deutschen Haushalte nicht gegen die finanziellen Risiken eines Wohnungseinbruchs abgesichert sind. Womöglich liegt auch hier eine Quelle für die nicht erfassten Fälle von Wohnungseinbruch – die unter anderen Umständen durchaus in die Kriminalstatistik eingeflossen wären.
Bestätigt wird diese Annahme ebenfalls durch Erkenntnisse der DVS: Auf die Frage, warum Opfer einen Wohnungseinbruch nicht zur Anzeige gebracht haben, gaben 18,8 Prozent an, dass sie den Einbruch nicht gemeldet haben, weil sie nicht versichert waren.
Interessant ist zudem die Aussage, dass bei dem Delikt „Einbruch“ relativ häufig der Grund angegeben wurde, „weil Sie Angst vor der Polizei hatten oder mit der Polizei nichts zu tun haben wollten“ – das gilt für 28 Prozent der Fälle, bei dem die Opfer eines Wohnungseinbruchs keine Anzeige erstattet haben.
Gerne wird im Zusammenhang mit den offiziellen Zahlen auch auf die steigenden Aufklärungsquoten hingewiesen. Zum einen ist es jedoch so, dass einer Aufklärung eine Tat vorausgegangen sein muss. Für die Opfer kann dies unter Umständen eine Genugtuung sein, allerdings setzt diese Quote ja immer erst nach einem Einbruch an. Zudem lag die Aufklärungsquote von Wohnungseinbruchdiebstahl im Jahr 2018 bei gerade einmal 18,1 Prozent – somit wurde nicht einmal jeder fünfte Einbruch aufgeklärt.
Und noch ein Punkt ist beim Thema Aufklärungsquote beachtenswert: Anders als man meinen könnte, gilt ein Einbruch für die Statistik nämlich bereits dann als aufgeklärt, wenn mindestens ein Tatverdächtiger ermittelt wurde. Ob dieser Tatverdächtige auch Täter war oder dieser dafür verurteilt wurde – dies spielt für die Aufklärungsquote keine Rolle.
Für die ganzheitliche Betrachtung ist es wichtig, neben den ausgewiesenen Zahlen zudem einen Blick auf das subjektive Sicherheitsempfinden zu werfen. So ist nahezu jeder Vierte (24 Prozent) ziemlich oder sehr stark beunruhigt, dass in seine Wohnung oder sein Haus eingebrochen werden könnte.
Das bedeutet: Wohnungseinbruch ist das am häufigsten gefürchtete Delikt und liegt damit – unabhängig vom Geschlecht – in der „Rangliste“ vor der Furcht vor Raub, sexueller Belästigung oder Terrorismus. Vertiefend zu dieser Frage nach der Kriminalitätsfurcht wurde die Frage danach gestellt, wie die Befragten die Wahrscheinlichkeit einschätzen, innerhalb der nächsten 12 Monate Opfer einer dieser Taten zu werden. So lautet das Ergebnis der Studie „Der Anteil derjenigen, die einen Einbruch in ihre Wohnung oder in ihr Haus für (ziemlich oder sehr) wahrscheinlich halten, hat sich seit 2012 fast verdoppelt und beläuft sich im Jahr 2017 auf knapp 10 Prozent.“ Dazu Kriminaloberrat Harald Schmidt, Geschäftsführer Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, Stuttgart: „Es ist in der Tat so, dass wir diese Befürchtungen in der Bevölkerung sehr ernstnehmen müssen. Der Fallzahlenrückgang in der PKS darf nicht zur Konsequenz haben, dass wir uns zufrieden zurücklehnen und uns auf den Erfolgen unserer Arbeit2 ausruhen. Erfolgreiche Prävention muss langfristig und nachhaltig erfolgen. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir die K-EINBRUCH-Initiative auch 2019 fortsetzen können.“
Laut einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstitutes INSA glauben nur rund 24 Prozent der Befragten, dass die Polizei sie vor Wohnungseinbrüchen schützen kann. Die Fragestellung, ob sie der Kriminalstatistik trauen, beantworten 30 Prozente der Befragten mit „Ja“.
2Im Jahr 2018 blieben 45,4 Prozent der Wohnungseinbrüche im Versuchsstadium stecken. Über den Zeitraum der zurückliegenden zehn Jahre ist der Anteil vollendeter Fälle stetig gesunken, wie die steigenden Versuchszahlen zeigen. Dies kann durchaus auf Verbesserungen der Sicherungsmaßnahmen im privaten Bereich gegen Wohnungseinbruchdiebstahl beruhen und bestätigt somit die entsprechenden Präventionsaktionen der Polizei und ihrer Partner aus der Wirtschaft.
Unabhängig von allen Zahlen und Wahrscheinlichkeiten gilt die eiserne Regel, dass Prävention die wirkungsvollste Methode ist, sich vor Einbruch zu schützen. Hierzu zählt neben der Aufklärungsarbeit der Versicherungen als wichtiger Baustein in der Präventionsarbeit der technische Schutz vor Einbruch. Damit sind in den meisten Fällen nicht die trendigen Smart-Home-Lösungen gemeint, die derzeit oft unter dem Aspekt des „Plus an Sicherheit“ vermarktet werden. Vielmehr gilt die Aufmerksamkeit hier der guten alten Mechanik. Auch die Polizei empfiehlt mechanische Sicherungen, die sinnvoll aufeinander abgestimmt sind. Diese stehen an erster Stelle. Sie können dem Täter einen bestimmten Widerstand entgegensetzen und einen Einbruch unter Umständen verhindern. Daher sind sie eine wesentliche Voraussetzung für einen wirksamen Einbruchschutz.
Zusätzlich eingebaute Einbruchmeldeanlagen (EMA) bieten darüber hinaus besonderen Schutz. Denn durch ihre Meldewirkung wird das Risiko für den Einbrecher, entdeckt zu werden, wesentlich erhöht. Zudem verhindert die Alarmanlage die Gefahr, einem Einbrecher in die Arme zu laufen, wenn Sie nach Hause kommen. Am besten ist es, die mechanische Sicherungstechnik mit der elektronischen Überwachung sinnvoll zu kombinieren. Grundsätzlich sollte die EMA so erweitert werden, dass auch ein Überfallalarm ausgelöst werden kann. Gemäß der Empfehlungspraxis der Polizei sollte dabei auf geprüfte und zertifizierte Produkte geachtet werden – hier bieten beispielsweise das VdS-Siegel oder die Herstellerverzeichnisse der Polizei3 eine gute Möglichkeit der Orientierung.
3 Die aktuellen Herstellerverzeichnisse der Polizei finden Sie unter www.polizei.bayern.de, Rubrik Schützen und Vorbeugen, Beratung, Technische Beratung.
Da es derzeit keine Richtlinien für den Einbau von Sicherheitstechnik bei Neubauten oder im Bestand gibt, ist die Initiative von Eigentümern gefordert. Und da besteht aktuell weiterhin die Möglichkeit, sich einen staatlichen Zuschuss zu sichern: wer sich Sicherheitstechnik durch einen Fachmann einbauen lässt, der erhält bis zu 20 Prozent Zuschuss durch die KfW-Förderbank. Sie fördert den Einbau von Sicherheitstechnik – egal, ob Eigentümer oder Mieter – mit der Übernahme von 20 Prozent der Kosten bis 1.000 Euro. Darüber hinausgehende Investitionen werden mit 10 Prozent bezuschusst (bis zu einer Summe von 15.000 Euro).
Das Thema Dunkelfeld ist ein Aspekt, der in vielen Betrachtungen der Kriminalitätszahlen aktuell noch deutlich zu kurz kommt und dafür sorgt, dass die kursierenden Fallzahlen kein hundertprozentiges Abbild der Realität bilden. Mit teils großen Lücken und unter Auslassung des subjektiven Sicherheitsgefühls verleitet die reine Betrachtung der Zahlen manchmal zum Schluss, dass „doch alles gut ist“. Das dies nicht der Fall und weiterhin viel Aufklärungsarbeit notwendig ist, sollte einem jeden in der Sicherheitsbranche klar sein.
Denn mit den 97.504 erfassten Fällen von Wohnungseinbruchdiebstählen im Privatbereich und einem Schaden von rund 310 Millionen Euro laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. sowie vielen weiteren Hellfeld-Delikten wie einfacher Diebstahl, Raub, Vandalismus, Einbruch in Keller-, Boden- und Waschräume usw. ist noch lange kein Grund zur Entwarnung gegeben – vor allem nicht aus Sicht diejenigen, die zum Opfer geworden sind. Für sie sind am Ende alle Zahlen Makulatur.